Wenn Charaktere ein Eigenleben entwickeln: Und die Frage, ob 13 Fälle genug sind

Wenn Charaktere ein Eigenleben entwickeln: Und die Frage, ob 13 Fälle genug sind

Manchmal, da ist man als Autorin nur noch die Sekretärin der eigenen Figuren. Man setzt sich hin, hat einen Plan, eine klare Vorstellung, wie sich die Geschichte entwickeln soll. Doch dann, ehe man sich versieht, winkt die Figur ab, nimmt eine andere Abzweigung, verweigert sich dem sorgfältig ausgearbeiteten Plot. Willkommen in der wunderbaren und manchmal frustrierenden Welt der rebellischen Charaktere!

Speck-Eff: Mein Ermittler wider Willen – oder doch nur anders als gedacht?

Ein Paradebeispiel dafür ist mein Ermittler Speck-Eff. Er war von Anfang an als Ermittler vorgesehen. Ich hatte da so eine vage Vorstellung: eine Mischung aus dem schrulligen Wilsberg und dem eigenwilligen Tierarzt aus „Nord bei Nordwest“. Er sollte kantig sein, vielleicht ein bisschen grummelig, aber mit einem weichen Kern und einer gewissen Liebe zu Tieren.

Nun, er wurde der Ermittler. Aber anders. Statt des Tierarztes auf dem Land wurde er ein passionierter Radfahrer in der Stadt, und von offenbarer Tierliebe keine Spur. Er entwickelte Marotten, eine eigene Denkweise, die oft konträr zu dem war, was ich mir ausgedacht hatte.

Ich kenne ihn inzwischen besser als manche meiner echten Bekannten. Er hat sich in mein Autorinnenherz geschlichen, obwohl er eigentlich nie ganz so geplant war. Und jetzt stehe ich vor einem Dilemma, das viele Autorinnen kennen: Wie lange reitet man ein totgerittenes Pferd?

13 Fälle – ist das nicht genug?

Speck-Eff hat immerhin schon 13 Fälle gelöst. Dreizehn! Für die meisten Ermittler ist das eine beachtliche Karriere. Eigentlich müsste ihm jetzt ein richtig großer Fall zustehen, einer, der alle seine Fähigkeiten fordert und ihn in die Liga der ganz Großen katapultiert. Aber sind 13 Fälle nicht auch irgendwie genug? Habe ich als Autorin nicht das Recht, auch mal was Neues auszuprobieren? Eine neue Figur, ein neues Genre, eine neue Herausforderung?

Andererseits… Speck-Eff ist mir ans Herz gewachsen. Er ist vertraut, seine Eigenheiten sind liebenswert, seine Art, die Welt zu sehen, ist einzigartig. Ihn einfach in den Ruhestand zu schicken, fühlt sich fast wie Verrat an. Manchmal sitze ich da und überlege, was er wohl zu dieser Situation sagen würde. Wahrscheinlich würde er mit einem trockenen Kommentar kontern, der mich wieder zum Nachdenken bringt.

Das Dilemma der Autorinnenseele

Dieses Gefühl, dass die Charaktere ein Eigenleben entwickeln, ist Fluch und Segen zugleich. Es macht das Schreiben lebendig und unvorhersehbar. Es sind nicht nur meine Worte, die auf dem Papier stehen, sondern auch ein Stück Persönlichkeit meiner Figuren. Und genau das macht sie so echt für die Lesenden und auch für mich.

Vielleicht ist es nicht die Frage, ob das Pferd totgeritten ist, sondern ob es einfach nur eine Pause braucht. Oder ob es Zeit ist, ihm einen neuen Reiter zur Seite zu stellen – oder eine Reiterin. Das ist das ewige Dilemma im Autorinnenleben: die Balance zwischen Kontrolle und dem Loslassen, zwischen Plan und Spontanität. Und manchmal muss man einfach zugeben, dass die Figuren die besseren Geschichten erzählen. Auch wenn sie dabei unsere Pläne über den Haufen werfen.

CKauT